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Glaub nicht alles, was du denkst – über mentale Achtsamkeit

Carina Kockelke Carina Kockelke

Wir achten auf unsere Ernährung, machen regelmäßig Sport und pflegen unsere sozialen Kontakte. Wir legen uns bei der Arbeit richtig ins Zeug und wollen möglichst gute Ergebnisse erzielen; hetzen von einem Termin zum nächsten und besuchen am Wochenende die Familie, damit die auch nicht zu kurz kommt. Wir machen uns Sorgen über alles und jeden und steigern uns häufig in unsere Ängste hinein. Bleibt unsere mentale Gesundheit damit auf der Strecke? Ein Austausch über Selbstmitgefühl und Achtsamkeit.

In diesem Dialog geht es darum, sich selbst wahrzunehmen, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und sich selbst mehr mentale Achtsamkeit zuzugestehen. Oft wollen wir es allen Recht machen und verlieren uns selbst dabei aus den Augen; oder wir machen uns Sorgen um Dinge, die nie passieren werden. Mit Edda Lang spreche ich genau über dieses Thema.

Carina: Gerade im Moment fällt es vielen Menschen schwer, leicht und unbekümmert durchs Leben zu gehen. Wir machen uns um Freunde und Familie Sorgen, aber auch um uns selbst. Wir malen uns Szenarien aus, die uns mental stressen, auch wenn diese Szenarien niemals zutreffen werden. Fällt es dir momentan schwer, positiv zu denken?

Edda: Das ist eine spannende Frage. Lass es mich mal so sagen: Da ich mich schon recht lange mit diesem Thema beschäftige, weiß ich auch, dass wir dazu neigen, uns Katastrophen vorzustellen, obwohl wir eigentlich positiv denken und unbeschwert leben könnten. Heute ist dieses „Durchdenken“ nicht mehr überlebensnotwendig. Als Beispiel: Wenn früher der Neandertaler einfach in eine unbekannte Höhle gelaufen ist, hat er sich einer Gefahr ausgesetzt, weil er nicht wusste, was ihn dort erwarten könnte. Er musste die Situation durchdenken, um die Gefahr einschätzen zu können. Das ist heute nicht mehr so.

Man darf sich nicht in den Sorgen und Ängsten verlieren.“

Gedanken wie „was ist, wenn ich keine Freunde oder kein Geld mehr habe“ sind genau falsch. Man sollte lieber versuchen, positiv zu denken und auch auf andere Menschen positiv zuzugehen.

Viel Lärm um nichts

Carina: Da kann ich dir nur zustimmen. Ich merke selber oft, dass meine Gedanken komplett abschweifen und ich mir über Dinge Sorgen mache, die niemals zutreffen, wie zum Beispiel Jobverlust oder plötzlich alleine dazustehen. Das sind Szenarien, die nicht zur Debatte stehen, über die man sich aber trotzdem gerne den Kopf zerbricht. Ich neige auch sehr dazu, mir die schlimmsten Szenarien genauestens auszumalen und mich in die Situation reinzusteigern. Am Ende passiert dann entweder gar nichts oder etwas komplett Harmloses.

Ich habe mal in einer Statistik gelesen, dass 80 % unserer Sorgen und Ängste, all die Horrorszenarien, die wir uns ausmalen, niemals so passieren werden und diese Gedanken daher völlig umsonst waren.“

Das finde ich sehr interessant, wenn man bedenkt, wie viel Zeit man mit negativen Gedanken verschwendet.

Edda: Das kenne ich auch. In meinem Bekanntenkreis gibt es auch jemanden, der immer alle Szenarien durchplanen muss und manchmal merke ich, dass sich das auch auf mich überträgt.

Was dann sehr gut hilft, ist, die eigenen Gedanken zu hinterfragen. Das heißt, sich selber zu fragen, ob das, was man gerade denkt, auch der Realität entspricht. Wenn man von den Gedanken gestresst wird, kann man sich so ins Hier und Jetzt zurückholen. Ich finde den Satz „Glaub nicht alles, was du denkst“ dazu sehr passend. Dazu gehört, sich nicht immer Vorwürfe zu machen und ein gewisses Selbstmitgefühl und Achtsamkeit zu entwickeln.

Drei Punkte, die sehr gut helfen können:

1) Achtsamkeit (Was spüre ich in meinem Körper? Im Hier und Jetzt ankommen.)

2) Allgemeine Menschlichkeit (Wir sind nicht allein mit unserem Leid!)

3) Freundlichkeit (In Gesten und Worten, mir selbst gegenüber …)

Schattenkind und Mad Uncle

Carina: Eine Freundin von mir spricht in diesem Zusammenhang immer von ihrem „Schattenkind“. Das ist genau der Teil, der immer zweifelt und immer Ängste und Sorgen hat. Ihre Strategie ist dann auch, sich darauf zu besinnen, was gerade um sie herum passiert. Also bewusst wahrnehmen, dass gerade jetzt in diesem Moment alles okay ist. Sie riecht etwas Gutes, schaut aus dem Fenster und beobachtet einen Vogel, denkt daran, dass sie einen Job hat und Freunde und Familie, die immer da sind. Sie kann sich so von ihrer schlimmen Fantasie lösen und sich vor Augen führen, dass eigentlich alles okay ist und ihr nichts passiert.

Edda: Dafür gibt es tatsächlich mehrere Begriffe. Für mich ist das mein „Mad Uncle“. Das ist ein durchgeknallter Typ, der ständig reinredet. Ich begegne ihm dann, indem ich sage:

Ich höre dich, aber mach mal langsam, das entspricht nicht der Realität.“

Wenn sich die Gedanken so verselbstständigen, fragt man sich oft, wo das eigentlich herkommt. Aber man darf sich selbst und andere mental nicht fertigmachen.

Sei nicht so hart zu dir selbst

Carina: Da muss ich ja sagen, dass ich ohnehin mit mir selbst viel härter ins Gericht gehe als mit anderen. Wenn ich im Job etwas nicht richtig schaffe oder zu spät zu einem Treffen mit der besten Freundin komme, nehme ich mir das sehr zu Herzen, setze mich selbst unter Druck und bin super enttäuscht von mir selbst. Passiert aber anderen so etwas, bin ich sehr viel mitfühlender und versuche die Person aufzubauen und zu motivieren. Sowas wie:

Jedem kann mal ein Fehler im Job passieren, dein Chef schätzt deine Leistung dennoch und weiß, was du kannst.“

oder „Jeder kommt mal zu spät, weil er die Zeit aus den Augen verliert“, sage ich ernst gemeint meinen Freunden, aber mir selbst würde ich das nie zugestehen.

Edda: Das liegt daran, dass man eine gute Freundin nie so behandeln würde. Bei einem selber schwingen Ängste mit, Fehler zu machen oder die Angst von anderen nicht mehr geliebt und respektiert zu werden. Der Eindruck entsteht, man könnte nicht mehr akzeptiert und geachtet werden. Aber man darf nicht so hart mit sich ins Gericht gehen und sich selbst derart geißeln.

Hier spielt auch das Selbstmitgefühl wieder mit rein – sich selbst Fehler verzeihen zu können.

Wir machen das Beste draus

Carina: Ich habe gerade in der jetzigen Situation besser gelernt, mir gegenüber Selbstmitgefühl zu zeigen und mir selbst auch mehr zuzugestehen. Lange Zeit war ich einfach nur genervt, weil ich nichts unternehmen konnte und viel zu Hause rumsaß.

Ich habe dann das Blatt einfach mal umgedreht und mir nicht mehr vor Augen geführt, was alles gerade nicht geht, sondern was gerade anders ist, aber dadurch auch gut. Dann ist mir aufgefallen, dass ich nie so viel draußen war zum Spazieren gehen, nie aktiv gesehen habe, wie die Natur von Winter auf Frühjahr umschlägt, nie so viel Zeit einfach für mich hatte, für meinen Freund etc.. Hast du auch eine Strategie entwickelt, gerade jetzt positiver zu denken?

Edda: Die derzeitige Situation ist natürlich eine Ausnahmesituation. Man macht das alles ja nicht freiwillig. Alle Einschränkungen, die man nicht selbst für sich wählt, fühlen sich komisch an. Ich versuche einfach das Beste daraus zu machen. Wenn ich merke, die Angst kommt hoch, ich verliere meine Freiheit und kann nichts machen, dann ist das jedes Mal ein mieses Gefühl. Ich versuche mich dann abzulenken, mit Aktivität. Ich stelle mir dann die Frage „Was brauche ich wirklich, um schön zu leben?“. Dann versuche ich auszumisten und mich von Dingen zu trennen, die ich nicht mehr brauche, oder die mir nicht guttun. Auch wenn es um Kontakte geht, sei es bei Facebook oder im realen Leben.

Ich versuche auch nicht mehr so oft „ja“ zu sagen, wenn ich eigentlich „nein“ meine.“

Sonst belüge ich mein Gegenüber und fühle mich letztlich schlecht. Das hat auch so viel mit Selbstachtsamkeit zutun.

Carina: Achtsamkeit ist ein Thema, mit dem sich jeder immer auseinandersetzen sollte. Selbstliebe, mentale Gesundheit und generell die Achtsamkeit, sich und anderen Menschen gegenüber. Kannst du zum Schluss noch ein paar Tipps geben, wie man Achtsamkeit lernen kann?

Edda’s Tipps

1) Brief an sich selber schreiben (so, als würde man einer guten Freundin schreiben. Man sagt, was man gut findet an sich, du musst es nicht Jedem recht machen.)

2) Eine Liste, in der man aufzählt, was man an sich selbst schätzt (z.B. Humor, hier kann man sich selbst vor Augen führen, welche Talente man hat.)

3) Bewusst dankbar sein (z.B. Ich darf gerade einfach hier sitzen und meinen Kaffee trinken. Ich habe einen Job und eine Familie und es geht mir gerade gut.)

Habt ihr auch Tipps zur Achtsamkeit, oder wie man negative Gedanken loswird? Wir sind gespannt auf eure Meinung.


3Kommentare

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Kommentare

  • Mercedes Marquez Orona Antworten

    Hallo mein Name ist Mercedes Marquez ,

    ich bin der gleichen Meinung wie meine Kollegin Edda Lang ,weil ich genauso denke .Wir könne so dankbar sein das wir ein Job und Familie haben und alle Gesund sind .Wir können uns viel mehr wahrnehmen ,was wir sind ,oder was wir wollen.Natürlich ist diese Situation wo wir uns befinden nicht schön,aber sie hat auch sehr große positive Vorteile .

    Danke

  • Antje Alexy Antworten

    Danke für den interessanten Beitrag. Ich trainiere seit über zehn Jahren Vertriebspartner, wie sie gesund mit Stress umgehen können und dabei mit Gewahrsein (so wie Jon Kabat Zinn Achtsamkeit bezeichtnet) mehr im Hier und jetzt sein können.

    Dankbarkeit ist für mich ein sehr zentrales Bedürfnis, das ich mir jeden Tag erfülle, meistens abends, wenn ich ins Bett gehe.

    Und so bin ich auch für das Interview mit der Kollegin dankbar, denn die Tipps kann ich jetzt gut für mein nächstes Training nutzen.

    Gern mehr davon!

  • Sylvia Tichai Antworten

    Hallo Antje,
    das Kompliment eines Profis freut uns natürlich besonders. Vielen Dank 🙂 Wir tun unser Bestes, um regelmäßig interessante Beiträge zu bringen. Schau doch mal wieder vorbei!
    Liebe Grüße von Sylvia aus dem Social Media Team

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