Momentan sieht man sie in Stadt und Land: vogelwilde Junggesellenabschiede. Bevor der Bund der Ehe geschlossen wird, lassen sie nochmal die Sau raus. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.
Den meisten Stress hat der Trauzeuge: Er muss sich erst mal ausdenken, was dem Bräutigam gefallen könnte (es soll ja ein unvergesslicher Tag werden) und dann die Organisation übernehmen. Die Kosten teilen sich in der Regel die Freunde des Bräutigams, die bei der Sause dabei sind.
Als nebenberuflicher Entertainer habe ich von der Taufe bis zur Beerdigung schon viele Feste begleitet. Meistens waren es – abgesehen von den Beerdigungen – lustige Veranstaltungen. Bei diesen Feiern spiele ich Akkordeon, Gitarre, Keyboard und Trompete. Je nach Charakter der Veranstaltung.
Zur lustigsten und anstrengendsten Kategorie zählen die Junggesellenabschiede. Ich habe dabei oft das Gefühl, dass der Bräutigam diese letzte Feier, bevor der Ernst des Lebens (Ehe) beginnt, nochmal voll genießen will.
Meine persönlichen Top 5 der Junggesellenabschiede
Biergarten-Hopping
Bei solchen Fahrten ins Blaue wird ein Planwagen oder ein Party-Bus gemietet. Man fährt von einem Biergarten zum anderen und feiert bis die Schwarte kracht.
Besuch im Freizeitpark
Nochmal einen Tag Kind sein, bevor der Ernst des Lebens beginnt. Ihr glaubt gar nicht, wie aus erwachsenen Männern auf einmal wieder kleine verspielte Kinder werden, wenn sie eine Auswahl an Fahrgeschäften wie Achterbahnen, Autoscooter oder einen Freefall-Tower haben.
Action Outdoor Erlebnis
Wie wäre es mit einer Runde Canyoning oder Rafting? Um einen actionreichen Tag zu verbringen, gibt es viele Möglichkeiten wie Hochseilgarten, Bungeejumping, Wakeboarden oder einen Besuch im Wasserpark mit vielen Rutschen. So einen besonderen Adrenalinkick, vor dem Bund der Ehe, genießen viele zukünftige Ehemänner.
Motto-Partys
Hier tragen die Jungs zum Feiern einheitliche Outfits. Wenn der Bräutigam z. B. James Bond-Fan ist, müssen alle im schwarzen Anzug mit Fliege kommen. Gut in Erinnerung ist mir die Motto-Party eines Elvis-Fans: Alle Jungs trugen aufgeklebte Koteletten und Sonnenbrille. Als ich als Elvis-Imitator auftrat, fiel ich in meinem Outfit gar nicht auf. Alle fühlten sich als King Elvis und rockten mit mir den Abend.
Hüttengaudi bis der Arzt kommt
Bei solchen Feiern wird eine abgelegene Hütte gebucht. Der absolute Vorteil ist: niemand muss darauf achten, ob man andere stört (außer die Tiere im Wald). Auch bleiben einem die neugierigen Blicke von Außenstehenden erspart. Fernab der Zivilisation verspricht es, ein ungestörter und unvergesslicher JGA zu werden.
Nach dem JGA wurde die Hochzeit abgesagt – vorerst
Bei all dem Spaß und der Feierei kann auch immer etwas passieren…
Für eine Junggesellenabschiedsfeier hatten die Kumpel des Bräutigams zusammengelegt und mich als Alleinunterhalter für den Abend gebucht. Als Veranstaltungsort war eine Jagdhütte mitten im Wald vorgesehen. Die wackeren Mannen hatten tagsüber schon kräftig gefeiert und trafen sich mit mir am Abend auf einem Waldparkplatz, bei dem wir die Autos stehen ließen.
Leider fing es zu regnen an, als wir zur Hütte durch den Wald laufen mussten. Ich trug mein Akkordeon, der Bräutigam meine Gitarre und ein Kumpel des Bräutigams die Trompete und Equipment.
Wir liefen also lustig durch den Wald. Der Bräutigam sang lautstark, als er auf dem nassen Laub ausrutschte. Er fiel eine Böschung runter, der Gesang endete abrupt und wir hörten nur noch: „So ein Mist!“
Hinfallen. Aufstehen. Weitermachen.
Die Freunde des Bräutigams zogen ihn wieder hoch und stellten fest, dass er sich nur noch hinkend weiterbewegen konnte. Wir setzten den Weg zur Jagdhütte fort. Der Bräutigam legte dort erst mal seine Beine hoch. Als ich dann zu musizieren und singen begann, war die Stimmung wieder gut. Die Gäste und selbst der lädierte Bräutigam sangen und schunkelten mit. Die medizinische Versorgung durch Bier und Schnaps dämmte auch die Schmerzen des Bräutigams.
Nach zwei Stunden wurde er aber immer ruhiger und blasser. Ein noch nüchterner Party-Gast fuhr ihn ins Krankenhaus, nachdem er von zwei weiteren Kumpels zum Auto geschleppt wurde.
Die Stimmung bei den bierseligen Gästen war trotzdem hervorragend. Etwa um Mitternacht kam der Anruf aus dem Krankenhaus: Der Fuß des Bräutigams ist gebrochen. Auf den Schock wurde eine Runde Schnaps ausgegeben. Die Gäste tranken auf die Gesundheit des Bräutigams und die Feier klang langsam aus.
Die Hochzeit, die eine Woche später angesetzt war, konnte leider nicht stattfinden, da der Bräutigam eine Fußschiene tragen musste und ein Hochzeitswalzer, geschweige denn die ganze Feier, nicht machbar waren.
Gottseidank hatte er eine Unfallversicherung. Der finanzielle Schaden wurde mit dem versicherten Krankenhaus-Tagegeld und Schmerzensgeld ausgeglichen.
Ende gut – alles gut
Die Genesung schritt, dank der guten Pflege seiner zukünftigen Frau, hervorragend voran. Ein Jahr später nahm das Brautpaar einen neuen Anlauf und diesmal klappte alles. Ich spielte mit meiner Band auf der verschobenen Hochzeit und der Bräutigam konnte den Hochzeitswalzer sowohl rechts als auch linksherum tanzen. 🙂
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