Das Thema Tod war schon sehr früh präsent in meinem Leben. Die ehrenamtliche Arbeit im Hospiz habe ich aber erst relativ spät kennengelernt. Mittlerweile bewegt mich die Hospizbegleitung so sehr, dass ich dir gerne von meinen Erfahrungen berichte: von der Ausbildung bis zu meiner ersten Sterbebegleitung.
Ich verlor mit 14 Jahren meine Mutter und mit 18 Jahren meinen Vater. Beide starben an Krebs. Mit 19 las ich Kurt Martis „Leichenreden“, später dann Kübler-Ross. Noch später Romane und Bücher, in denen Autoren das Sterben ihrer Angehörigen beschrieben und aufarbeiteten.
Diese Ereignisse haben mich sehr geprägt. Und nun hatte mich eine Bekannte per Zufall – aber gibt es in diesem Zusammenhang überhaupt Zufälle? – auf eine Idee gebracht. Eine Idee, wie ich mich selbst ganz konkret mit dem Sterben auseinandersetzen konnte. Also nahm ich das Telefon in die Hand und machte mich schlau.
Vom örtlichen Hospizverein erfuhr ich, dass nur der im Hospiz zugelassen wird, der einen Grundkurs und danach einen Aufbaukurs besucht hat. Die Eignung für letzteren wird im Rahmen eines Auswahlgesprächs von den Ausbildern festgestellt. Ich selbst wollte gerne im Kinderhospiz arbeiten.
Der Grundkurs zum Hospizbegleiter
Ich hatte Glück. Es gab noch freie Plätze. Was mich bei diesem Seminar – vier Tage mit jeweils sechs bis acht Stunden – erwarten würde, entnahm ich der Broschüre, die ich nach der Anmeldung per Post bekam. Zunächst erfuhr ich etwas über die Idee Hospiz. Danach ging es um meine eigene Einstellung zu Sterben und Tod, sodann um die konkreten Aufgaben für Haupt- und Ehrenamtliche in der Arbeit im Hospiz.
An einem Donnerstagabend ging es los. Die dreizehn Leute, die sich in der Tagungsstätte in Sulzbürg eingefunden hatten, waren bunt gemischt: Das Alter rangierte von Anfang 20 bis Ende 60. Die Gründe für die Teilnahme waren vielfältig. Der Kurs wurde mit sehr viel Liebe organisiert. Es gab viele Vorträge, Gruppenübungen und interessante Gespräche. Geweint hatte ich wohl im Lauf der Einstiegstage. Aber mein ursprünglicher Entschluss wurde dadurch nicht beeinflusst: Ich will im Hospiz arbeiten.
Hospiz: Begegnung mit sich selbst
Um anderen in einer solchen Extremsituation, wie es der bevorstehende Tod ist, beistehen zu können, kehrt man zunächst einmal zurück zu den eigenen Wurzeln. Wo liegen meine Ängste? Wie kann ich ihnen begegnen? Was möchte ich für mich selbst bei der Arbeit mit Sterbenden lernen? Was habe ich zu geben?
In Rollenspielen und Gesprächsrunden nähert man sich diesen Fragen zunächst spielerisch und später ganz konkret. Da Vertraulichkeit und Verschwiegenheit – während der Kurse ebenso wie später beim Einsatz als Hospizhelferin – unabdingbar und oberste Voraussetzung sind, entwickelten sich unter den dreizehn Menschen, die sich bis dato noch nie begegnet waren, ungewöhnlich offene Dialoge. Auch Tränen hatten in diesem Umfeld ihren Platz. Sie waren jedoch niemals peinlich oder unangenehm.
Das macht ein Hospizbegleiter
Wo und wie der Hospizbegleiter zum Einsatz kommt, sollten wir am Ende des Seminars erfahren. Schwerpunktmäßig aber in der ambulanten und der stationären Hospizhilfe. Bei der erstgenannten gehen Ehrenamtliche zu jenen Patienten nach Hause, deren Angehörige oder die sich selbst an den Hospizverein gewandt und um Unterstützung gebeten haben. Vor Ort beschäftigen sie sich mit dem Schwerkranken – sprechen mit ihm, lesen etwas vor oder sitzen einfach nur schweigend an seinem Bett. Durch ihre Anwesenheit entlasten sie die Angehörigen, die in dieser Zeit auch einmal das Haus verlassen können.
Pflegerische Tätigkeiten gehören ausdrücklich nicht dazu. Aber natürlich kann der Hospizhelfer auch bei der Nahrungsaufnahme helfen und sollte auch in der Lage sein, die Schüssel zu halten, wenn ein Kranker sich erbrechen muss. Das Sterben ist nun einmal nicht nur psychisch, sondern auch physisch anstrengend.
Die stationäre Hospizbegleitung erfolgt zum einen im Hospiz – von denen es auch spezielle Häuser für Kinder gibt – und zum anderen auf den Palliativstationen der Krankenhäuser und in Pflegeheimen. Die Tätigkeiten dort sind ähnlich, wenn auch das Umfeld ein anderes ist. Als Hospizhelfer sollte man seine Kraft etwa vier Stunden pro Woche zur Verfügung stellen können und sich in regelmäßigen Abständen einer Supervision unterziehen. Hier findet man im Kreis anderer Hospizhelfer und Fachleute Antworten und kann sich auch Kummer und belastende Erlebnisse von der Seele reden. Das ist wichtig – auch deshalb, weil man mit niemandem, auch nicht dem eigenen Partner, über das sprechen darf, was man während der Tätigkeit erlebt.
Dennoch ist es unerlässlich, dass die Familie eines Hospizhelfers „mitzieht“. Allen Beteiligten muss klar sein, dass dieses Engagement nicht nur einen bestimmten zeitlichen Einsatz erfordert, sondern auch seine Spuren hinterlassen wird.
Hospizarbeit – Erwartungshaltung ade
Für angehende Hospizbegleiter ist es ratsam, den Kurs bei dem Verein zu absolvieren, unter dessen Federführung man später tätig werden möchte. So lernt man im folgenden Vierteljahr bereits jene kennen, mit denen man später eng zusammenarbeiten wird – und das kommt allen Seiten zugute. Diesen Menschen gegenüber wird man schonungslos offen und ehrlich sein müssen was die eigenen Gefühle, Möglichkeiten, aber auch Grenzen anbetrifft.
Man wird lernen, auf die Signale zu achten, die sie verbal und non-verbal aussenden. Auf die Reaktionen, die das eigene Verhalten und die eigenen Worte hervorrufen. Und auf die Gefühle, die bei einem selbst im Lauf der Gespräche und Rollenspiele entstehen. Denn alles, was in diesem Rahmen geschieht, ist eine Vorbereitung auf den späteren Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen.
Auch da heißt es vor allem: sensibel und aufnahmebereit für die Wünsche und Bedürfnisse des anderen zu sein. Keine Erwartungshaltung aufbauen. Nicht werten, was jemand sagt oder wie er sich verhält. Sich dabei aber auch nicht selbst verleugnen, sondern im Gegenteil die eigenen Ressourcen sinnvoll einsetzen. Stopp sagen, wenn es nicht mehr „passt“, wenn Grenzen überschritten werden, wenn die Kraft nicht mehr ausreicht. Sich von vorgefertigten Vorstellungen lösen.
Hospitzbegleiter – Eine Ausbildung, die sich ausgezahlt hat
Mittlerweile habe ich meine Ausbildung abgeschlossen. Ich habe viele „alltagstaugliche“ Ratschläge und Denkanstöße erhalten. Vor kurzem hatte ich meine erste Sterbebegleitung. Ich durfte eine 94-jährige Dame auf ihrem letzten Weg betreuen. Es war eine sehr emotionale und schöne Erfahrung für mich. Meine Entscheidung, mich zum Helfer im Hospiz ausbilden zu lassen, war richtig. Schon Goethe wusste: „Was man nicht liebt, kann man nicht machen.“ Damit hat er Recht – in diesem Beruf noch mehr als in vielen anderen.
Mein Dank gilt den Menschen, die mich dazu bewegt haben, meinen Traum umzusetzen, und die mich während meiner Ausbildung zum Hospizbegleiter unterstützt und begleitet haben!
Könntest du dir auch vorstellen, Menschen auf ihrem letzten Weg als Hospizbegleiter zur Seite zu stehen? Stell mir gerne alle Fragen, die du dazu hast, in den Kommentaren.
2516 Bewertungen