Wusstest du, dass bis zu 4 % aller Erwachsenen in Deutschland an ADHS leiden – also bis zu 2,7 Mio. Menschen?[1] Das Problem: Viele Betroffene kämpfen sich durchs Leben, ohne zu wissen, dass sie eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung haben. Denn die Krankheit wird vor allem bei Kindern diagnostiziert. Welche Symptome auf ADHS im Erwachsenenalter hinweisen, wie man die Krankheit erkennt und wie eine Therapie aussehen kann, verrate ich dir heute.
Ehrlicherweise dachte ich lange, ADHS haben nur Kinder. Die typischen Zappelphilippe in der Klasse, die sich nie ruhig verhalten können und den Unterricht stören. Doch ich wurde eines Besseren belehrt: Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn hatte ich eine sehr nette Kollegin Mitte 30. Sie war wahnsinnig engagiert, tat aber immer tausend Dinge gleichzeitig. Und so richtig bei der Sache war sie nie. Angefangene Projekte brachte sie kaum zu Ende.
Erst fanden wir ihre Schusseligkeit sympathisch, aber irgendwann wurde ihr Verhalten zum Problem. Denn gerade bei gemeinsamen Projekten muss man sich ja aufeinander verlassen können. Für uns, ihre Kollegen, war ihre Arbeitsweise wirklich herausfordernd. Als wir schließlich das Gespräch suchten, vertraute sich die Kollegin uns glücklicherweise an und erzählte, dass sie gerade die Diagnose ADHS bekommen hatte. Die Krankheit war verantwortlich für ihre Zerstreutheit, unter der sie selbst am meisten litt. Mit Beginn der Behandlung bekam die Kollegin endlich Hilfe. Schritt für Schritt ging es nicht nur ihr, sondern dem ganzen Team besser.
Seitdem weiß ich, dass ADHS auch erst im Erwachsenenalter auftreten kann – oder oft erst dann erkannt wird. Und wie wichtig es ist, darüber zu reden! Doch bis zur Diagnose kann es häufig dauern. Der Leidensweg ist bei vielen Betroffenen lang, die Probleme im Alltag machen ihnen zu schaffen. Wie man ADHS bei Erwachsenen erkennt, warum eine Diagnose schwierig sein kann und welche Wege es zu einer Therapie gibt, erfährst du jetzt.
ADHS bei Erwachsenen
Die Krankheit ADHS wird meist mit Kindern in Verbindung gebracht. Das Problem: Wer als Kind mit der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung diagnostiziert wird, muss damit rechnen, dass sie bis ins Erwachsenenalter besteht. Viele der als Kinder diagnostizierten ADHSler leiden auch als Erwachsene unter Symptomen und Problemen im Alltag. Der Unterschied: Die Symptome verändern sich oder werden leichter – die Menschen schaffen es, ihr Verhalten anzupassen. So haben sie z. B. oft ihre Impulsivität besser unter Kontrolle. Und die Hyperaktivität wird eher zu einer Unruhe.
Bei vielen Betroffenen jedoch wurde ADHS im Kindesalter gar nicht diagnostiziert. Jene Gruppe an ADHSlern hat oft einen langen Leidensweg bis zur Diagnose vor sich. Die Folgen der Störung sind häufig Misserfolge in der schulischen wie akademischen Laufbahn oder im Beruf und das Gefühl, anders zu sein als andere. Oder aber Fehldiagnosen und Behandlungen wegen Depressionen oder Burn-out.
Glücklicherweise sind heute immer mehr Ärzte darauf spezialisiert, Erwachsene mit ADHS zu behandeln.“
Symptome bei Erwachsenen mit ADHS
Doch wie äußert sich die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen? Viele ADHSler leiden an Konzentrationsproblemen, wie meine damalige Kollegin. Sie haben Schwierigkeiten, sich auf eine Sache zu fokussieren, lassen sich schnell ablenken und haben Probleme, sich zu organisieren. Die Folge sind verpasste Termine, viele angefangene Projekte und Herausforderungen im Job.
Andere ADHSler wiederum haben einen Hyperfokus und konzentrieren sich so stark auf eine Sache, dass sie ihre Umwelt kaum mehr mitbekommen. Hinzu kommen Frustration über Stolpersteine im Alltag, das Gefühl, nicht richtig zu sein, sowie Impulsivität und Wut. Auch eine Ãœberempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, eine ausgeprägte Vergesslichkeit und die ständige Frage: „Was wollte ich gerade eigentlich erledigen?“, machen vielen ADHSlern im Alltag zu schaffen.
An ADHS erkrankte Erwachsene haben oft nicht nur Probleme im Beruf, sondern auch in ihrer Partnerschaft. Sie können sich leichter missverstanden fühlen und sind oft schneller gereizt und gestresst.
Wichtig: Alle diese Symptome und Arten des Verhaltens können auf die Störung hinweisen, müssen es jedoch nicht. Deshalb ist die richtige Diagnose so wichtig.“
Das Leben mit unentdeckter ADHS führt dazu, dass manche Menschen ihren Job verlieren, ihre Partner häufig wechseln oder nur schwer soziale Beziehungen aufrechterhalten können. Manche Betroffene entwickeln Depressionen, andere wiederum Suchtproblematiken. Und das nur, weil sie nicht wissen, was mit ihnen nicht stimmt und Wege finden wollen, mit dem Anderssein klarzukommen.
Der lange Weg bis zur Diagnose ADHS
Bis zu einer Diagnose kann es gerade bei Erwachsenen lange dauern. Wer den Verdacht hat, an der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung erkrankt zu sein, sollte zuerst einmal das Gespräch mit seinem Hausarzt suchen und die Probleme wie Symptome schildern. Ärzte werden fragen, ob man bereits im Kindesalter Auffälligkeiten hatte oder welche Anzeichen von Hyperaktivität, Unruhe und Impulsivität vorhanden sind. Gibt es dann noch Probleme im Job oder Privatleben, nutzen Mediziner einen Fragebogen. Mit diesem speziellen ADHS-Fragebogen kann endgültig abgeklärt werden, ob die Diagnose ADHS im Raum steht.
Manchmal wird ADHS mit anderen psychischen Erkrankungen wie Borderline oder bipolarer Störung verwechselt, da diese ähnliche Symptome haben. Auch Probleme mit der Schilddrüse oder ein Nährstoffmangel können ADHS-Symptome wie Unruhe hervorrufen. Umso wichtiger ist es, die Störung zu diagnostizieren und andere Erkrankungen auszuschließen.
Mein Tipp: Wenn du den Verdacht hast, an ADHS zu leiden, lass dich von deinem Hausarzt an einen Experten verweisen und komplett durchchecken.“
Um eine Diagnose mit ADHS zu bekommen, braucht es oft mehr als nur einen Arztbesuch. Eine Krankenzusatzversicherung kann viele Vorteile bringen und unterstützt Patienten auf ihrem Weg. ERGO berät dich gern beim Thema Zusatzversicherung.
So verbreitet ist ADHS bei Erwachsenen
Schätzungen zufolge leiden bis zu 4 % aller Erwachsenen an ADHS. Während im Kindesalter öfter Jungen als Mädchen an ADHS erkranken, ist das Geschlechterverhältnis bei Betroffenen im Erwachsenenalter ausgeglichen. Trotzdem werden bis heute immer noch häufiger Männer mit ADHS diagnostiziert als Frauen. Das weibliche Geschlecht zeigt häufig keine so ausgeprägten oder andere Symptome, sodass bei Betroffenen schneller andere Krankheiten wie Depression oder Burn-out vermutet werden.
Übrigens: ADHS ist vererbbar. Wer an ADHS erkrankt, kann diese Krankheit auch an seine Kinder weitergeben. Auch ist das Risiko, an ADHS zu erkranken, größer, wenn die Mutter während der Schwangerschaft raucht, Alkohol trinkt oder andere Suchtmittel zu sich nimmt. Anders als oft behauptet, ist ADHS weder bei Kindern noch bei älteren Betroffenen Erziehungssache. Aber: Psychosoziale Umstände wie eine instabile Familie, fehlende Struktur im Alltag oder keine Regeln können die vorhandene Veranlagung von ADHS verstärken.
Die richtige Behandlung: von Achtsamkeit bis Psychotherapie
Steht die Diagnose, folgt die Behandlung von ADHS. Je nach Ausprägung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Viele Menschen, die unter der Störung leiden, haben über die Jahre ihre eigenen Strategien entwickelt, damit umzugehen. Manchen helfen etwa Meditation und Atemübungen – dabei geht es darum, an nichts zu denken und einmal gar nichts zu machen. So kommen die ansonsten wilden Gedankengänge zur Ruhe. Um beim Durcheinander im Kopf nichts zu vergessen, helfen vielen Betroffenen detaillierte To-do-Listen und Pop-up-Erinnerungen im Smartphone. Andere wiederum finden Unterstützung in Selbsthilfegruppen. Auch Sport wie Laufen oder Radfahren kann dazu beitragen, dass man ausgeglichener ist und sich besser fühlt.
Sind die Symptome jedoch intensiver oder der Alltag stark beeinträchtigt, können Betroffene auch eine medikamentöse Behandlung und Psychotherapie in Anspruch nehmen. Medikamente können gegen Symptome wie Unruhe, Impulsivität oder Konzentrationsschwäche helfen. Bei einer Psychotherapie lernt man, mit den krankheitsbedingten Herausforderungen im Alltag besser umzugehen. Bei besonders ausgeprägten Symptomen können Medikamente die Basis für eine Therapie sein.
Ganz wichtig ist es jedenfalls, mit den Menschen im persönlichen Umfeld zu reden und sie mit ins Boot zu holen. Oft wirken Betroffene z. B. so, als würden sie nicht zuhören, weil sie etwa desinteressiert oder gelangweilt sind – dabei rasen ihre Gedanken nur unwillkürlich woanders hin. Auch können die Mitmenschen dann ungewöhnlich wirkendes Verhalten besser einordnen.
ADHS und Depression
Da ADHS häufig lange unentdeckt bleibt, sind psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Burn-out oft eine Folgeerscheinung. Auch dann kann eine Psychotherapie helfen, die Krankheiten zu lindern und wieder mehr Lebensqualität zu bekommen.
Meine Kollegin war froh, als sie die Diagnose bekam. Nur ein Jahr später ging es ihr schon viel besser, die Medikamente wirkten, die Therapie schenkte ihr wieder mehr Lebensfreude. Und wir im Team waren mehr als glücklich, sie an unserer Seite zu haben.
Ich hoffe, mein Beitrag hilft dir, die Krankheit ADHS bei Erwachsenen besser zu verstehen. Du hast noch mehr Anmerkungen zum Thema? Dann schreib sie in die Kommentare!
#ERGOLebeachtsam
[1] https://www.adhs.info/fuer-erwachsene/wichtige-zahlen-und-fakten/
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