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Digitale Nomaden: Das steckt hinter dem neuen Lebenskonzept unter Palmen

David Prestele David Prestele

Leben und arbeiten wo man will? Mal unter Palmen, mal auf der Hütte? Von digitalen Nomaden war ich sofort fasziniert. Reisebloggerin Carina Hermann zeigt im Interview ihre Welt und verrät wie sie ihr Geld verdient.

Beim Gedanken an digitale Nomaden hatte ich sofort ein Bild vor Augen: türkisblaues Wasser, in der Hängematte unter Palmen liegen, mit einem fruchtigen Cocktail in der Hand. Und dabei ein wenig in den Laptop tippen. Das wars.

Als ich mir dann ein paar digitale Nomaden „vorgeknöpft“ habe, wurde ich allerdings enttäuscht. Denn meine Wunschvorstellung hat wenig mit der Realität zu tun. Es gehört einiges an Arbeit und Zeitaufwand – gerade am Anfang oft mehr als die übliche 40-Stunden-Woche – und eine gehörige Portion Selbstdisziplin dazu. Dafür ist es möglich, um die Welt zu reisen und zu arbeiten, wo, wie und wann man will.

Das Lebenskonzept „digitaler Nomade“ in Theorie und Praxis

In der Theorie bedeutet ein Leben als digitaler Nomade erst einmal, dass ein Unternehmer oder Arbeitnehmer mithilfe digitaler Technologien ortsunabhängig lebt und arbeitet. Um herauszufinden, wie das Leben einer waschechten digitalen Nomadin in der Praxis aussieht, habe ich Reisebloggerin Carina Herrmann interviewt.

Carina, wie bist du zum digitalen Nomadentum gekommen, was hast du vorher gemacht?

Ich bin ursprünglich Kinderkrankenschwester und habe nach Abitur und Ausbildung 6 Jahre auf Kinderkrebsstationen und in Knochenmarks-Transplantations-Einheiten gearbeitet. Klingt genauso schwer, wie es ist, weshalb ich irgendwann einfach eine Auszeit brauchte. Also ging ich 14 Monate auf eine Reise durch Australien und Südostasien und verliebte mich ins Dauerreisen. Danach suchte ich nach einer Möglichkeit, ortsunabhängig Geld zu verdienen, um dauerhaft reisen zu können – und fand das Schreiben für mich.

Wie bist du dabei vorgegangen?

Nachdem die Entscheidung gefallen war, habe ich meine Wohnung und meinen Job gekündigt, all meinen Besitz verkauft, verschenkt und entsorgt, und die restliche Zeit bis zum Start gespart, so viel es ging, um einen Sicherheitspuffer aufzubauen. Es ist erstaunlich, wie viel dabei zusammenkommt, wenn man sich erst einmal bewusst wird, was man im Leben alles wirklich braucht, und was nicht.

Click-to-Tweet: „Phasen wie der Roadtrip, in denen ich von Ort zu Ort hüpfe, sind seltener geworden. Meist versuche ich bis zu einem Monat an einem Ort zu bleiben, um auch ein wirkliches Gefühl für die Kultur und die Menschen zu bekommen.“

Digitale Nomaden – so kommt Geld in die Kasse

Wie verdienst du dein Geld?

Heute habe ich zwei erfolgreiche Blogs, mit denen ich zum größten Teil passiv Geld verdiene, also ohne aktiv dafür meine Zeit eintauschen zu müssen. Das funktioniert zum Beispiel durch ehrliches Influencer-Marketing. Wenn ich Produkte empfehlenswert finde, verlinke ich sie, und wenn meine Leserinnen diese Produkte kaufen, erhalte ich eine Provision, ohne dass sie mehr dafür zahlen.

Außerdem begann ich ein halbes Jahr nach meinem Start, E-Books und Bücher zu schreiben. Von Ratgebern für alleinreisende Frauen (wie mein Buch „Frauen Reisen Solo“) über Anleitungen zum Aufbau des eigenen Online-Business (auf meinem zweiten Blog „Um 180 Grad“) bis hin zu meiner eigenen Geschichte („Meerblick statt Frühschicht“).

Es gibt viele verschiedene Einkommensströme wie diese, die am Ende des Monats gemeinsam mein heutiges Einkommen bilden.

Wie sieht ein normaler Arbeitstag für dich aus?

Den gibt es eigentlich nicht. Ich versuche immer eine gewisse Routine zu finden, aber das ist sehr stark auch vom jeweiligen Ort abhängig, ob ich einen Monat an einem Fleck bleibe, wie aktuell in Guanajuato, Mexiko, oder gerade auf einem dreiwöchigen Roadtrip bin, wie bis vor Kurzem durch den Südwesten der USA.

Dann unterscheidet sich meine Definition von Arbeitsalltag schon sehr stark von der anderer Menschen. Bin ich viel unterwegs, checke ich E-Mails, sobald ich mal Internet habe und schreibe zwischendurch Artikel und Antworten dazu. Dann reduziert sich mein Arbeitspensum auf ein bis 2 Stunden am Tag.

Nun aktuell, mit einer festen Unterkunft und stabilem Internet, sind es eher 4 bis 6 Stunden am Tag, weil ich meiner Kreativität dann freien Lauf lassen kann und an neuen Projekten bastele.

Was gefällt dir besonders an diesem Lebensstil?

Genau das. Dass ich selbst wählen kann, wie mein Alltag aussieht, mit wem ich zusammenarbeite oder welche Projekte ich angehen möchte. Das komplette Maß an Freiheit bezogen auf meine Arbeit.

Wo warst du schon überall und wie lange bleibst du in der Regel an einem Ort?

Phasen wie der Roadtrip, in denen ich von Ort zu Ort hüpfe, sind seltener geworden. Meist versuche ich bis zu einem Monat an einem Ort zu bleiben, um auch ein wirkliches Gefühl für die Kultur und die Menschen zu bekommen. Das ist auch deutlich weniger anstrengend.

Gerade habe ich die 1000 Tage als Dauerreisende angesammelt und war in dieser Zeit in Schottland, Irland, Istanbul, Jerusalem, Jordanien, Thailand, Vietnam, Kuala Lumpur, Sumatra, Bali, Valencia, Prag, Wien, Island, Kanada, USA, Mexiko, Australien und der Nordinsel Neuseelands unterwegs. Eine wilde und wunderschöne Mischung.

Start ins ortsunabhängige Leben – Tipps für digitale Nomaden

Was gefällt dir weniger? Welche Hürden hast du zu meistern?

Es gibt kaum etwas, dass mir daran nicht gefällt. Wenn ich merke, dass etwas nicht passt, habe ich auch die Freiheit, es passend zu machen.

Freundschaften zu erhalten, ist anspruchsvoller geworden, als es das vielleicht in Deutschland wäre. Dafür reduziert sich der Kreis aber auch auf Menschen, die zu 100 Prozent auf der gleichen Wellenlänge liegen. Und wenn ich jemanden zu sehr vermisse, besuche ich diesen Menschen eben.

Welche Tipps gibst du Interessierten, die auch diesen Weg einschlagen möchten?

Sich zunächst ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es herrscht leider viel zu häufig noch ein etwas verblendetes Weltbild vom digitalen Nomadentum.

Stattdessen verbirgt sich dahinter, wie bei jeder Selbständigkeit, viel, viel Arbeit, Durchhaltevermögen und vor allem in der ersten Zeit, definitiv nicht viel Geld.

Ich würde also entweder empfehlen, sich ein kräftiges Polster anzusparen, bevor man in die ortsunabhängige Selbständigkeit startet oder nebenberuflich damit anzufangen. Ich habe beides in Kombination getan und kann es nur jedem ans Herz legen.

Ein gutes Business-Konzept ist die zweite Hürde. Das muss kein ausgefeilter 50-seitiger Business-Plan sein. Aber ich lese viel zu häufig, dass Menschen gern digitale Nomaden werden möchten, ihren Job kündigen und losreisen wollen, ohne überhaupt eine konkrete Idee zu haben, was sie eigentlich tun wollen. Einen Laptop im Rucksack und einen Blog zu haben, macht einen noch lange nicht zum digitalen Nomaden.

Versicherungsschutz für digitale Nomaden

Welchen Versicherungsschutz empfiehlst du digitalen Nomaden und welchen Versicherungsschutz hast du für dich gewählt?

Ein sehr schwieriges Thema, denn oft sehe ich uns Deutsche als ein wenig „überversichert“ an, weil wir uns, aus Sorge heraus, oft gegen alles versichern ohne darüber nachzudenken, was sinnvoll ist.

Ich habe anfangs vieles auf Eis gelegt, um mir in der beginnenden Selbständigkeit selbst den Rücken freizuhalten. Langfristig macht eine Haftpflichtversicherung (wenn sie weltweit gilt) meiner Meinung nach Sinn.

Wichtig ist vor allem eine private Rentenversorgung. In welcher Form auch immer. Je größer das eigene Unternehmen wird, sind dann eine Berufshaftpflicht (sollte man Veranstaltungen anbieten) und eine Rechtsschutzversicherung (mit speziellem Hinblick auf Online-Absicherungen) in meinen Augen sinnvoll.

Vielen Dank, Carina, für dieses spannende und aufschlussreiche Interview!

So „arbeitet“ also eine Digitale Nomadin. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Lebensstil auch etwas für mich wäre. Wie geht es dir? Könntest du dir vorstellen, für ein paar Monate oder Jahre auszusteigen und ein digitaler Nomade zu werden?

Reisekrankenversicherung für digitale Nomaden

Tipps von Birgit Dreyer, Reiseexpertin der ERV:

Empfehlenswert ist – gerade für digitale Nomaden – sicherlich ein umfassender Schutz auf Reisen. Denn je länger die Reisedauer, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man auf der Reise erkrankt oder die Reise abbrechen muss.

Ein Mindestmaß an Absicherung ist für jede Reise eine private Reisekrankenversicherung.

Die EHIC (europäische Krankenversicherungskarte) greift nur in der EU und in Ländern, mit denen Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen hat. Da hier aber nur die anfallenden Kosten bis zu einer bestimmten Höhe und für Behandlungen von festgelegten Vertragsärzten übernommen werden, können so selbst in Ländern wie Österreich oder Italien hohe Kosten entstehen.


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